Piraten: Roboter statt Menschen?! Ein Rant.

Vorweg: Ich mag die Piraten. Auch wenn ich selbst kein Pirat bin, sondern bei den Grünen aktiv bin. Die Parteien sind einer der spannendsten politischen Projekte unserer Zeit, und ich schätze viele Piraten inhaltlich wie persönlich. Aber manchmal … manchmal machen es einem die Piraten echt schwer. Die letzten Tage gehörten da wohl zu.

Partei! Partei! Partei!

Und was ich noch vergessen hatte: Partei. Das ist das, was ich von den Piraten in den letzten Tagen mitgenommen habe: eine Parteienfixierung, welche seinesgleichen sucht. Dabei war es doch mal „Politik aus Notwehr„. Man wolle weniger Parteienpolitik, dafür mehr Bürgerbeteiligung, mehr auf den Bürger hören, mehr Eigenverantwortung von einzelnen Abgeordneten. Und ich kann mich auch noch gut an die Tage erinnern, wo von verschiedenen Seiten klar gesagt wurde, dass man ja eh mehr aus Versehen zur Partei geworden ist – eigentlich wolle man einfach nur vernünftige Politik machen, und die Partei war eben das nötige Mittel zum Zweck.

Eigenverantwortliche Abgeordnete. Aufbrechen des Fraktionszwanges. Die Partei, die auf den Bürger hört. Das klang einfach verdammt gut. Und dann erlebe ich so etwas wie die Diskussion um das Nichtraucherschutzgesetz (NRSG), bei der Abweichler mit massivem Druck wieder auf Linie gebracht werden sollten.

Ich bin weiter für das Nichtraucherschutzgesetz, aber aus parteipolitischen Zwängen musste ich es leider ablehnen.

Ja – so in etwa fühlte sich das von aussen an. Dabei war das Schlimme daran nicht einmal eine Reihe an Menschen, die massiv auf die potentiellen Abweichler draufhauen. Das Schlimmste daran war die dröhnende Stille seitens der anderen Piraten. Anstatt klar Stellung gegen die Hetzer zu beziehen wird noch mal inhaltlich hinterhergetreten – aber man toleriere ja das Abstimmungsverhalten. Wie gnädig.

Das war der Punkt, wo ich meine Kinnlade auf dem Boden suchen musste. Warum? Nun. An dem Punkt war mir klar, dass da an zwei Punkten etwas ganz fürchterlich schief geht. Auf der Ebene der Sozialdynamik – und auf Ebene des Partei-Verständnisses.

Sozialdynamik: von Gruppendynamik und Kommunikation

Man sieht, dass da jemand angegriffen wird. Mit unfairen Mitteln und mit Rücktrittsforderungen. Man sieht, dass dies ein schwieriges Thema ist, was in der Partei diskutiert werden muss, weil es darauf noch keine Antworten gibt. Preisfrage: Was tut man?

Zu ignorieren, dass es in der Debatte schon lange eine ganz andere Ebene gibt, dass es nicht mehr inhaltlich um das NRSG geht, sondern dort ein Machtkampf tobt, ist sicher nicht der richtige Weg. Dann einfach weiter diskutieren? Als wäre da nichts? Ist eine Sensibilität für die anderen Ebenen der Kommunikation wirklich zu viel verlangt?

Wenn man die anderen Argumentationsebenen ignoriert und gnadenlos inhaltlich weitermacht unterstützt man die Hetzer. Die Trolle. Genau das haben weite Teile des Postes gemacht – nur einer Person ist aufgefallen, dass die getroffene Aussage im Gesamtbild fatal ist. Die ganze Diskussion hat mir noch einmal sehr deutlich gemacht, warum die Piraten so viele Führungsfiguren verschleißen. Das Hetzen einzelner und die schweigende Zustimmung fast aller hält auf die Dauer niemand aus.

Freie Abgeordnete – oder Sklaven von Mehrheitsentscheidungen?

Piraten werfen anderen Parteien gerne vor, sie würden ihre Abgeordneten in ein Zwangskorsett stecken. Der Fraktionszwang sei nicht demokratisch, Abgeordnete sollten ihrem Gewissen folgen und frei entscheiden können. Freies Mandat in Reinstform. Aber scheinbar nur gegenüber anderen.

Abgeordnete seien ja nur durch die Partei ins Parlament gekommen, also haben sie sich nun zu 100% an die Partei zu halten. Wo kämen wir denn da hin, wenn der oder die Abgeordnete machen könnte, was er will! Nein, das gilt es zu unterbinden.

Zudem sind nicht alle Piraten gegen das NRSG. Es gibt einen Beschluss, der mit über 50% verabschiedet wurde. Bedeutet das, dass nun exakt 100% der Fraktion so handeln müssen? Dürfen einzelne Fraktionsmitglieder nicht die Minderheiten innerhalb der Partei vertreten? Und was ist eigentlich mit den Bürgern da draußen? Bei denen es auch viele verschiedene Positionen gibt? Wollte man nicht offener sein als andere Parteien? Darf ein piratiger Abgeordneter nicht Stimmen von Nicht-Parteimitgliedern ernst nehmen? Muss man Piraten-Mitglied werden, um mit einem Piraten-Abgeordneten reden zu können, ohne dass das Gesagte komplett ignoriert wird? Weil ein piratiger Abgeordneter eh zu 100% an Beschlüsse der Partei gekettet ist?

Die größte Ironie daran ist, dass die Fraktion nach der Abstimmung eine Pressemitteilung mit dem Titel „ein schwarzer Tag für die Demokratie“ veröffentlicht hat. In denen der SPD vorgeworfen wird, dass einige Abgeordnete nur zugestimmt hätten, weil es so etwas wie einen Fraktionszwang und eben den SPD Parteibeschluss gab. Entschuldigung mal – aber wo ist denn da der Unterschied zu den Piraten? Kein Fraktionszwang, dafür um so stärkerer Parteizwang – soll das die Lösung sein?

Und ja, ich halte dieses Problem für durchaus in der Partei verbreitet. Wenn man sich anschaut, mit welchem Fanatismus in so vielen Situationen Vorstände und Abgeordnete angegangen werden, ist das mehr als ein zu vernachlässigendes Problem. Das Wort Zustimmung weiter oben war nicht zufällig gewählt – für mich wirkt es eben nicht eine schweigende Ablehnung. Sondern wie eine schweigende Zustimmung.

Auch piratige Amtsinhaber sind Menschen

Ja, irgendwas lief in den letzten Tagen fürchterlich schief. Ich glaube immer noch daran, dass viele Piraten einen guten Willen haben. Dass sie es ernst meinen mit mehr Demokratie. Aber bitte, liebe Piraten – achtet mehr auf eure Sprache. Manchmal hat ein fehlender Widersprechen eine sehr, sehr starke Aussagekraft. Auch, wenn diese vielleicht nicht gewollt ist, sie ist nach außen da. Und das kostet Euch Menschen, die ihr dringend braucht. Eure eigenen Führungspersonen, die sich jeden Tag den Arsch aufreißen, um den Laden am Laufen zu halten.

Das zweite, was schief lief, ist, dass ihr akzeptieren müsst, dass Piraten in Führungsrollen Menschen sind. Und dass dies ebenfalls Teil von Demokratie ist. Weder ein Abgeordneter noch ein Vorstand ist ein Sklave der Basis. Es sind Menschen, die gestalten wollen. Die einen eigenen Kopf haben. Die eigene Ziele haben. Die Visionen haben. Die leidenschaftlich für das kämpfen, für das sie stehen.

Das kann, nein, das muss grade bei Euch absolut transparent ablaufen. Und piratige Abgeordnete wie Vorstände werden sicher offener sein für Input von außen als dies in anderen Parteien üblich ist. Aber Input bedeutet nicht totale Kontrolle. Akzeptiert den Kontrollverlust, dass nicht jeder einzelne Pirat 120%ige Kontrolle über jeden einzelnen Amtsinhaber hat. Eure Amtsinhaber sind keine programmierbaren Maschinen, keine Roboter. Es sind Menschen! Die Kontrolle erfolg primär über Wahlen. Worüber sie definitiv nicht funktioniert ist über Hetze bei jedem einzelnen Thema. Diese oft unwidersprochene Hetze fördert Abschottung und zerstört letztlich genau das, was ihr eigentlich erreichen wollt: Basisdemokratie und menschliche Abgeordnete.

Disclaimer

Ich bin auch nicht ganz glücklich mit dem NRSG – primär aufgrund der Elektrozigaretten. Es wird dazu auch noch einen Antrag meinerseits geben. Aber das ist ein anderes Thema. Hier ging es nur am Rande um Inhalte. Hier ging es um Macht, um Durchsetzungsvermögen, um Kontrolle über Abgeordnete. Inhaltliches kann ich gerne in einem zweiten Post behandeln.

Warum ich dies schreibe? Mir könnte das als Grüner alles egal sein und mich über Euren Untergang freuen. Ist es mir aber nicht. Dafür schätze ich Eure Ziele und Euch als Menschen zu sehr.

9 Antworten zu “Piraten: Roboter statt Menschen?! Ein Rant.”

  1. Moin Ernesto

    Ich verstehe Deine Kritik, halte Sie aber für wenig gerechtfertigt.

    Ich bin die Person, die diese Diskussion losgetreten hat und noch fordert. Es geht konkret darum, dass wir angetreten sind um eine andere Politik zu machen. Als Mitmachpartei. Jeder sollte mitreden können. Niedrige Hierachien. Glaubwürdige, ehrliche Politik. Transparenz. Basisdemokratie. Themen statt Köpfe usw.

    Die Piraten haben Landtagsabgeordnete gewählt, um diese Inhalte zu vertreten. Sie haben den Bürgern an den Infoständen von ihren Inhalten erzählt und wurden dafür gewählt. Die Piraten wollen anders sein als die anderen Parteien: Sie wollen ehrliche Politik. Sie wollen, dass das vertreten wird, was auch im Wahlprogramm steht und was man den Bürgern versprochen hat.

    Ein Landtagsabgeordneter hat nun den Job, dem Vertrauen der Bürger und der Piraten, die ihn gewählt haben umzusetzen. Das zu tun und zu vertreten wofür er gewählt wurde.

    Ein konstruiertes Beispiel:
    In der Realpolitik steht etwas im Programm wie „kein Atomstrom.“. Im Landtag ist eine Abstimmung über den Erhalt von Kohlekraftwerken. Es liegt in der Verantwortung des MdLs zu überlegen, wie er die Inhalte, die in der Partei beschlossen wurde bestmöglich umsetzt. Glaubt er an Gas ? Kohle ? Regenerative Energien ? Wie wichtig ist ihm der Strompreis beim Schritt zu „kein Atomstrom“ ? Wie schnell soll es gehen ? Wie verhält er sich bei den Stromnetzen ? usw..
    Die Verantwortung der Landtagsabgeordneten ihren Auftrag für den Sie gewählt wurden umzusetzen ist sehr hoch.. ebenso vielfältig sind die Möglichkeiten, wie man die beschlossenen Ziele erreichen kann und was man für geeignete Strategien hält.

    Auch ist es häufig so, dass neue Erkenntnisse oder gegebenheiten die vorhandene Parteiposition in Frage stellen. Auch hier ist der Landtagsabgeordnete in der Verantwortung sich zu überlegen welches Stimmverhalten im Sinne der Leute ist, die ihn gewählt haben.

    Wir haben eine Repräsentative Politik. Abgeordnete sollen Menschen vertreten. Und zwar nach bestem Wissen und Gewissen. Und selbstverständlich sollten sie sich dabei daran orientieren was diese Menschen wollen. Politiker, die dies nicht tun, haben wir mehr als genug.

    Abgeordnete sind nur ihrem Gewissen verpflichtet. Gute Abgeordnete haben aber eben nicht vergessen weshalb sie gewählt wurden, und was ihr Arbeitsauftrag ist. Wen sie repräsentieren. Gute Abgeordnete stellen ihre eigene Position hinter die Interessen derer, die Sie vertreten.

    Das schneidet sich auch nicht mit der Forderung danach keinen Fraktionszwang zu haben. Denn: Niemand will, dass innerhalb der Fraktion irgendwer vorgibt, wie abzustimmen ist. Jeder Abgeordnete ist Frei, wie er der Verantwortung, die er übernommen hat als er für die Piraten mit ihren Inhalten kandidiert hat gerecht wird.

    Es darf kein Top-Down geben. Aber, wenn wir unseren eigenen Zielen treu bleiben möchten. Es darf keinen Fraktionszwang geben, aber es gibt die moralische Verpflichtung der Abgeordneten das zu tun, wofür sie gewählt wurden. Die zu vertreten, von denen sie als Repräsentanten gewählt wurden.

    Wie sonst soll es auch funktionieren ? Wenn es völlig egal ist, was man in einer Mitmachpartei mit Basisdemokratischen Idealen beschliesst und letztlich Köpfe statt Themen zählen.. wie soll man dann überhaupt Wahlkampf machen ? Wozu sollten wir überhaupt Programme beschliessen, wenn doch letztlich die gewählten MdLs keine Verpflichtung sehen alles dafür zu tun diese umzusetzen ? Der Einzige Weg daraus wäre dann so ehrlich zu sein, die Kandidaten jeweils eigene Programme beschliessen und vorstellen zu lassen und damit anzutreten.. aber merkst Du was ? Das hat überhaupt nichts mehr mit einer Partei zu tun. So kann es nicht funktionieren.

    Nun ist auch völlig klar, dass es Positionen gibt, die man einfach nicht vertreten kann oder will. An dieser Stelle muss man dies allerdings artikulieren und diskutieren. Man muss die Beweggründe nennen und erläutern, weshalb man die demokratisch abgestimmte Version der Partei verwirft und zur Diskussion stellen, wie man damit umgeht. Man kann der Sitzung fern bleiben. Man kann sich enthalten. Man kann auch abstimmen, dass man halt gegen die beschlossene Position stimmt…

    Aber dieser Fall lag hier nicht vor. Hier hat jemand seine eigene Position über die einer großen Mehrheit der anderen Parteimitglieder gestellt. Wollte nicht nur die Position nicht umsetzen, sondern wollte sogar das exakte Gegenteil dessen wofür er gewählt wurde und was die Leute, die sei repräsentieren soll beschlossen haben. Die Gründe hatten nichts mit Gewissen, neuen Fakten, Interpretation der Sachlage zu tun, sondern mit schlichter unfähigkeit die eigene Position zurück zu stellen. Das ist insbesondere deshalb extrem peinlich, weil im konkreten Fall sogar Gutachten bestätigt haben, dass eZigaretten nicht Gesundheitsschädlich sind, die Parteiposition also nochmal gestärkt und den grünen Rigoroismus noch absurder gemacht haben.

    Wenn ein Volksvertreter vergisst wen er vertritt und nur seine eigene Position sieht. Sich nicht der Diskussion stellt sondern wissenschaftlich unhaltbaren Mist abstimmt, einfach weil er seine eigene Position über alle anderen stellt, dann ist er in meinen Augen nicht als Repräsentant geeignet. Nicht wenn man Basisdemokratie und Mitmachpolitik bieten und diese auch noch als glaubwürdig und ehrlich bezeichnen möchte. Das ist ein Widerspruch. „Du darfst hier mitmachen und gleichberechtigt Dinge ins Programm schreiben die eh das Papier nicht Wert sind auf dem sie stehen“ ist einfach nicht die Politik für die die Meisten Piraten eingestiegen sind.

    Es ist zwingend notwendig, dass Mandatsträger, zumindest in ihrem Abstimmungsverhalten die Positionen der Partei nach bestem Wissen und Gewissen vertreten. Es spricht überhaupt nix dagegen, dass Sie Sätze formulieren wie „Ich selbst sehe das anders, aber … “ und in Diskussionen abweichende Meinungen Vertreten. Das ist ja auch wichtig.

    Andere Parteien gehen sogar so weit ALLE MITGLIEDER komplett auf Ihre Programme zu verpflichten.. schau mal z.B. bei den Grünen:
    http://www.gruene-bayern.de/service/satzung/

    §4 Rechte und Pflichten der Mitglieder
    (2) Jedes Mitglied hat die Pflicht, die Grundsätze und Ziele der Partei zu unterstützen und die festgesetzten Beiträge rechtzeitig zu zahlen. Mitglieder, die in geschlossenen Anstalten einsitzen, sind von der Beitragszahlung befreit.

    Es kann schlicht nicht anders funktionieren. Und genau das ist der Punkt, weshalb ich das Faß aufgemacht habe. Ich will, dass wir in der Piratenpartei darüber diskutieren. Wie lassen sich unsere Ziele verwirklichen, welche Verantwortung hat eigentlich ein Mandatsträger ? Können wir Leute, die unsere Positionen gar nicht vertreten wollen überhaupt gebrauchen, wenn wir einen anderen Politikstil etablieren wollen ? Und wie stellen sich jene, die sagen der Abgeordnete steht nicht in der Verantwortung die Partei- ositionen umzusetzen vor, Politik zu machen ? Welche Gegenkonzepte haben sie ? Für mich persönlich steht eben fest, dass ich keine Leute die nicht bereit sind ihre eigene Position zurück zu stellen im Landtag sehen will. Sie stellen so ziemlich alles wofür ich Wahlkampf gemacht habe in Frage.

    Man muss immer im Blick haben: Dies ist ein totaler Sonderfall: Das Papier aus dem Landtag wurde wortwörtlich vom Landesparteitag abgelehnt. Es gab keine neuen gegenbenheiten die dem Widersprochen hätten. Das so klar ist, welche Position die Leute die Repräsentiert werden hier haben ist selten. Umso bedauernswerte ist dies ignorieren zu wollen.

    Nun noch zu Den unterstellten Machtspielen usw. Ich kann Dir versichern, dass es hier weder um Birgit als Person noch um die Durchsetzung von Positionen im NRSG ging. Ich habe die Kritik geäussert, bevor ich überhaupt wusste wer die gerüchteweise 2-6 Piraten sind, die auf die LPT Position pfeifen wollen. Auch ist mir die Position zum NRSG relativ egal. Ich bin schlicht nicht betroffen. Klar: Ich halte den grünen Rigoroismus für absurden Schwachsinn, aber ich habe keinerlei eigeninteressen in diesem Thema. Es ging mir, und das habe ich immer wieder betont, darum, wie mit Parteipositionen umgegangen wird. Um den Widerspruch zwischen dem Handeln unserer MdLs und dem was wir propagieren und tun. Hier will ich Klarheit, denn: Ich brauche keinerlei Programmatik machen, wenn sie eh nur Propaganda ohne Wert ist.
    Du kannst die Historie auf der NRW ML nachverfolgen. Dort wirst Du sehen, dass die Kritik von mir geäussert wurde bevor Namen gefallen sind. Das ausgerechnet jemand, den ich bis dato für sehr reflektiert gehalten hatte darunter war, ist für mich nach wie vor erschreckend.

    Was tun wir nun ?!
    Wir machen einen Dicken Engel zum Thema und diskutieren mit MdLs und Basis, wie man mit diesem Konflikt umgehen kann, welche Ziele wir haben und welche guten Umgangsweisen uns hierzu einfallen. Es gibt hier Landtagsabgeordnete, die sofort interessiert waren mit zu diskutieren und es gibt halt weiter jende, die es nicht für nötig halten sich der Diskussion mit denen zu stellen, die sie vertreten sollten.

    • André….

      Meinst Du wirklich, etwas wird dadurch wahr, dass man es nur lange genug wiederholt?

      Oder Diskussionen werden dadurch besser, dass man eine Seite als alternativlos darstellt?

      Glaubst Du wirklich, dass eine Diskussion so funktioniert?

      B.

  2. Hallo Ernesto,

    auch ich möchte hier kurz meinen Senf dazu geben. Die grundsätzliche Problematik hatte ich bereits im Juno in einem Blogpost angesprochen (ungefähr in der Mitte des etwas längeren Beitrags: http://www.achim-mueller.org/zwischen-anspruch-und-wirklichkeit).

    Was mich im konkreten Fall beschäftigt hat, war weniger die Tatsache, dass eine Gruppe von 2-6 Abgeordneten darüber nachdachte, _für_ das NiSchG in der Version der Grünen zu stimmen. Sondern drei Punkte:

    1) Wir haben einen konkreten und definierten Standpunkt zur E-Zigarette, mit dem wir im Wahlkampf viele Sympathien errungen haben.

    2) Die Fraktion selbst hat in ein Meinungsbild protokolliert, wie sie mit dem Entwurf der Grünen umgehen wolle (https://20piraten.piratenpad.de/62 Zeile 50)

    3) Auf Initiative der Fraktion wurde auf einem LPT im Juli ein Positionspapier mit sehr breiter Mehrheit verabschiedet (ca 75-80%), welches das bestehende NiSchG für ausreichend erklärte.

    Nun kann ich jedezeit damit leben, wenn Abgeordnete mal »abweichend« von der konkretisierten Parteimeinung abstimmen. Wenn es argumentativ zumindest nachvollziehbar ist. Aber in diesem Fall wären sowohl klar definierte Positionen von Fraktion (Pos-Papier, Fraktionssitzung) und Landesverband (Wahlversprechen?!) ignoriert worden, außerdem gab es so gut wie keine Begründung für die Richtungsänderung einzelner, die mich (und andere) überzeugt hätten.

    Ein »Das finde ich nicht sinnvoll«, wie z.B. Birgit in ihrem Blogbeitrag selbst argumetiert hat, ist … na ja … ein wenig dünn. Ich hatte (wie auch einige MdL) ebenso den Eindruck, dass sie sich weder mit dem Entwurf der Grünen, noch mit den politischen Argumenten von Landesverband (AK Drogen NRW) und Fraktion (Änderungsanträge) näher auseinandergesetzt hatte.

    Man wird dann sehr schnell, auch als Landesveband, unglaubwürdig. Als Pressesprecher des LV sehe ich das besonders kritisch. Nochmal: hat jamand gute, schwerwiegende und nachvollziehbare (persönliche!) Gründe, kein Problem.

    Im übrigen geht es hier nicht um eine Person, sondern um eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Situation Fraktion – Landesverband – Programm – unabhängige MdL – Mitmachpartei etc.

    Ciao

    Achim

  3. Leute. Irgendwas passt da nicht. Ich kürze mal den Dialog ab: Ihr so: „wir wollen 120% Kontrolle über unsere Abgeordneten.“ Ich so: „dann sind eure Abgeordneten aber Roboter und repräsentieren nur die Mehrheit, nicht die Partei und schon gar nicht den Abgeordneten als Menschen. Ihr macht damit Abgeordnete sowie durch dass Hetzen die Basisdemokratie kaputt.“ Ihr so: „ja, aber wir wollen trotzdem 120%ig Kontrolle.“

    Oder in noch kürzer: euch ist egal, welche Folgen Eure Forderungen haben. Sie müssen durchgedrückt werden. Punkt.

    Politik ist immer Priorisierung. Ihr habt eine heftige Priorisierung für exakt einen politischen Mechanismus – eben die Kontrolle der Abgeordneten (und Vorstände). Es gibt aber Menschen, die priorisieren anders. Ihr wurdet zum Beispiel nicht nur wegen der Elektrozigarette gewählt, sondern auch, weil Ihr versprochen habt, dass es bei Piraten weniger Parteipolitik gibt – und die Bürger mehr im Mittelpunkt stehen. Ihr habt auch versprochen, dass es weniger Zwänge im Parlament gibt und dass auch Minderheits-Meinungen im Parlament repräsentiert werden (die 20% eurer Partei, die gegen den Antrag gestimmt hat z.B.). All dies sind auch legitime Priorisierungen. Aber Priorisierungen sind immer persönlich, nicht universell. Das ist auch sehr gut auf Euren Mailinglisten zu sehen – ihr geht grundsätzlich davon aus, dass alle anderen eure persönliche Priorisierung teilen. Daher wirken viele Diskussionen einfach nur skurril – weil Ihr völlig aneinander vorbeiredet und beide Seiten immer nur dieselben Argumente wiederholen.

    Es ist ok, wenn ihr selbst Euch Roboter als MdLs wünscht. Roboter, die nur die Basismeinung ausführen. Ich halte das aber für verdammt gefährlich – daher dieser Blogpost. Und was in jedem Fall gefährlich ist ist die Art wie üblicherweise bei Piraten persönliche subjektive Meinungen durchgedrückt werden: durch massiven psychischen Druck. Und das ist eben kein Einzelbeispiel – schaut Euch mal die Rücktritte der letzten Zeit an. Ihr habt ein ernsthaftes Umgangsproblem. So richtig im Detail die Argumente auch erscheinen mögen, so sehr zerstört Ihr Eure eigenen Ziele im Großen.

    PS: Das Argument „aber andere machen das ja auch so!!!“ unterstreicht nur das angesprochene Problem in Eurer Politik-Kultur. Ja, wir Grüne haben das in Bayern in der Satzung. Ja, wir haben aber auch eine andere Parteikultur. Bei uns gibt nicht die Fanatiker, die jeden Satz wortwörtlich auslegen und sofort Klage einreichen wenn irgendwas schief läuft. Wenn bei uns eine Abstimmung freigegeben ist, ist sie wirklich freigegeben. Und wenn ein KV oder eine Bürgerini mal so komplett gegen die Landes- oder Bundesmeinung schießt dann ist das ok. So Sätze wie den zitierten haben wir eher drin, um wirkliche Idioten zu kicken. Ich kenn die Situation in Bayern nicht, aber da die früher unangenehmen Spaß mit der Blut-und-Boden Fraktion hatten, vermute ich, dass der Satz einfach ein Mechanismus ist, um genau solche Idioten schnell und effizient aus der Partei zu kicken. Nicht mehr, nicht weniger. Grüne ticken da anders als Piraten. Wir haben diesen Satzungs- und Regelfanatismus in der Form nicht – genausowenig wie wir eine derart übele Shitstorm“kultur“ haben.

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