Nicht in meinem Namen!

Ich habe es getan: Ich bin aus der Kirche ausgetreten. Die Hintergedanken dazu möchte ich hier einmal darlegen.

Kirchenaustritt
Nun offiziell gottlos.
Gläubig war ich noch nie. Man ist da halt irgendwie reingewachsen, und die evangelische Kirche hat in meiner Jugend nie dafür gesorgt, dass ich groß darüber nachgedacht habe. Ich habe also das ganz normale Programm mitsamt Konfirmation durchgespult. Ein wenig skurril fand ich es schon damals, aber ich fand damals viel skurril. Und als Nerd und damaliger Außenseiter waren theologische Diskussionen nicht so ganz von hoher Priorität. Die evangelische Kirche ist auch vergleichsweise modern in ihren Ansichten und ihrer Arbeitsweise. Sie vertuscht keine Missbrauchsfälle, sie fällt nicht durch massive Geldverschwendung auf, sie hat (meistens) eine einigermaßen entspannte Haltung gegenüber Homosexuellen und fällt auch sonst nicht durch Absurditäten im Stil von „Verhütung ist des Teufels!!!“ auf. Kurzum: Aus der katholischen Kirche wäre ich schon lange ausgetreten, aber hier, da war der Leidensdruck einfach nicht so richtig groß. Aber irgendwas störte mich. Und dieses „irgendwas“ wurde immer größer.

Irgendwas stört (immer mehr)

Da war die soziale Arbeit, die die Kirche leistet. Sicherlich einer der Gründe, warum ich drin blieb – die Kirche organisiert eine ganze Reihe verschiedener sozialer Tätigkeiten. Das ist viel wert. Aber da war dieser Beigeschmack. Dieser Beigeschmack, der entsteht, wenn Arbeitssuchende im sozialen Bereich in Bewerbungsgesprächen nach ihrer Religion gefragt werden. Dieser Beigeschmack, dass es in Kirchen lange Zeiten keine Gewerkschaften geben durfte. Dieser Beigeschmack, dass der christliche Kindergarten mitnichten christlich ist – sondern vor allem staatlich, mit einer einstelligen Prozentzahl christlicher Gelder. Für diese einstellige Prozentzahl wollte man dann aber hundert Prozent Macht über die Arbeitnehmer haben. Von einem großen Konzern hätte ich nichts anderes erwartet, aber für eine Organisation der Nächstenliebe hat das alles einen ziemlich schalen Beigeschmack. Thema Nächstenliebe: Ich kann nicht nachvollziehen, warum die evangelische Kirche nicht deutschlandweit die Ehe gleichgeschlechtlicher Paare unterstützt. Was um alles in der Welt ist schlimm daran, wenn sich zwei Menschen lieben? Sollte dann eine Organisation, die sich Nächstenliebe vor allem anderen auf die Fahnen geschrieben hat, dies nicht nach Kräften unterstützen? In Berlin geschieht das ja ein wenig, aber dann gibt es auch so Fälle wie in Sachsen, wo eine der mächtigsten Positionen der evangelischen Kirche mit einem Menschen besetzt wird, für den Homosexualität nicht der Wille Gottes ist. Und wenn so etwas schon passiert, dann hätte ich lauten und energischen Protest erwartet. Stattdessen: Dröhnendes Schweigen. Das ist mir zu wenig. Dazu kommen die massiven Zahlungen, die der Staat an die Kirche leistet. Fast egal, wie lange die Enteignungen her waren (über 200 Jahre), der Staat zahlt. Und der Staat zahlt nicht nur für Bischöfe, sondern auch für so Events wie den Kirchentag, als sei das das Selbstverständlichste der Welt. Für mich ist das nicht selbstverständlich. Als Steuerzahler ist das am Ende mein Geld, was da ausgegeben wird, und sie machen das in meinem Namen – ich bin schließlich einer der 80 Millionen Bundesbürger. Ich hätte darüber zumindest gerne eine ernstzunehmende Diskussion. Diese findet aber nicht statt.

Kirche und Staat / Parteien

Dass die Kirchen ihre Privilegien nicht selbst in Frage stellen, geschenkt. Niemand gibt gerne freiwillig Macht und Geld ab. Aber leider ist auch Kirche und Politik ein schwieriges Thema. Von der CDU würde man erwarten, dass sie kirchliche Positionen einnimmt (ok, eigentlich würde ich eher erwarten, dass sie christliche Positionen einnimmt, aber sei es drum). Aber das ist nicht nur die CDU. Das sind durch die Bank weg alle Parteien. Auch die mir nahestehenden mitte-links Parteien, und damit auch die Grünen. Wenn ich mir anschaue, mit welchen Hürden der Arbeitskreis säkulare Grüne zu kämpfen hatte, wenn ich bedenke, wie kompromisslos bestimmte Anträge abgeschmettert werden, dann fühlt sich das alles sehr, sehr fremd an. Genauso fremd fühlt es sich an, Vertreter aller Religionen in allen möglichen Runden zu sehen, bis hin zu Rundfunkräten. Einen Humanisten / atheistischen Vertreter sucht man da aber vergebens. Dies führt auch zu dem Punkt, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat: Der (fehlenden) Trennung zwischen Kirche und Staat. Dort fließen all die Punkte von oben mit hinein, denn ohne den Staat könnte die Kirche all dies nicht in der Form machen. Die massive Rückendeckung der Kirche durch den Staat ist jedoch einfach nicht der Idee des modernen und damit laizistischen Staates zu vereinbaren. Für mich ist wichtig, dass jede und jeder die Freiheit hat, seine Religion zu leben, wie er möchte (solange er sich an Deutsches Recht hält). Aber das war es dann auch schon: Religion hat für mich nichts im Staat zu suchen. Da ist sie aber. Bis heute. In Schleswig-Holstein wird nun eine Verfassungsänderung diskutiert, bei der Gott als universelle Quelle in die Landesverfassung geschrieben werden soll. Begründet wird es damit, dass sich so auch die gläubige Menschen in der Verfassung wiederfinden. Das ist aus meiner Sicht ein unglaublicher Rückschritt. Die Begründung klingt im Übrigen eher danach, als versuche man krampfhaft vorgeschobene Gründe zu finden, weil „wir glauben, und deswegen sollen andere anderen glauben“ nun mal nicht so gut ankommt. Der mit der AfD ist besonders absurd.

Minus Eins

Aber: Es ist nun nicht das erste mal, dass die „vielen Gläubigen“ als Grund herhalten müssen, um Kirche und Staat zu verweben. Die vielen Gläubigen in der Statistik, das war bislang auch ich. Und es reicht mir. Ich will nicht mehr als Legitimation dafür dienen, dass absurde Gesetze und Regeln aus dem letzten Jahrtausend verteidigt oder gar geschaffen werden. Genau deswegen bin ich raus. All dies geschieht nicht mehr in meinem Namen. Nun müssen sich Menschen Gedanken darüber machen, wie sie dieses „minus ein Gläubiger“ erklären. Es wird natürlich die Menschen geben, die sagen, die minus Eins sei entstanden, weil ich keine Kirchensteuer zahlen wolle. Oder weil ich irgendeine Ersatzreligion gefunden hätte. Oder weil die Welt heute schlecht sei. Oder was weiß ich. Problem ist: Geld ist mir recht egal, und ich brauche auch keine Ersatzreligion. Das, was ich mir wünsche, ist ein moderner, laizistischer Umgang mit Religion. Nicht mehr, nicht weniger. Und, schafft ihr es, liebe Gesellschaft, meine minus Eins in diese Richtung zu interpretieren? Oder ist euch das zu unbequem?

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