Das das Internet ist ein gefährlicher Ort für Künstler und Kreative, schließlich würden einfach so Inhalte der hilflosen Kreativen gelöscht werden – so die Zusammenfassung zweier Artikel, die in taz und Welt erschienen sind. Hintergrund: das Blog des Autors Dennis Cooper wurde von Googles Tochter Blogspot gelöscht. Das ist sicherlich kein fairer Zug, aber das Kernproblem liegt ganz wo anders. Und es ist verlogen, nun Google verantwortlich zu machen.
Selbst gewählte Unfreiheit
Das Kernproblem liegt daran, dass wir uns freiwillig den IT-Größen unterwerfen. Google hatte jedes Recht, das Blog zu löschen, es ist Googles Infrastuktur. Dennis Cooper war Gast auf der Plattform. Er hat seine Werke aus freien Stücken in ein fremdes kostenloses System eingespeist, ein System, wo ganz Andere die Hausherren waren.
Natürlich ist es jetzt leicht, die Hausherren zu verurteilen, er hat auf Basis von Algorithmen ja das Blog gelöscht. Vor allem der Artikel der Welt sprüht nur so von Internet-Pessimismus. Aber hätte der Autor ebenso markige Worte gefunden, wenn sich ein privater Sponsor einer privaten Ausstellungshalle dazu entschließt, doch ein anderes Stück Kunst dort auszustellen? Ist es somit nicht vielmehr ein Grundlegendes Problem, wo Dennis Cooper und viele andere ihre Werke ausstellen?
Infastruktur ist politisch
Es gibt eine Menge Bürgerinitiativen, die sich gegen die Privatisierung des öffentlichen Raumes wehren. Das wäre auch die passende Analogie: in dem privaten Einkaufzentrum gibt es auch kein Demonstrationsrecht, keine Redefreiheit, keine demokratische Kontrolle – dort sind eben auch Dritte die Hausherren, und diese Hausherren haben das Hausrecht. Ist deswegen der öffentliche Raum schlecht, weil es Privatisierung gibt? Oder ist nicht vielleicht die Privatisierung das Problem?
Auch im Netz gibt es Bürgerbewegungen, die gegen die Privatisierung des digitalen öffentlichen digitalen Raums kämpfen. Der Kampf für Netzneutralität ist ein nahezu perfektes Beispiel dafür: dort geht es gerade darum, dass sich private Anbieter im digitalen öffentlichen Raum keine Vorteile erkaufen können, sondern die Infrastruktur neutral bleibt. Vielfach werden solche „Nerd-Initiativen“ belächelt, aber am Ende betreffen sie uns alle und sind das A und O für die Freiheit im Netz. Oder auch: Wie groß wäre wohl der Aufschrei, wenn ein Logistik-Unternehmer einzelne Spuren auf der Autobahn exklusiv für sich buchen könnte?
Hört auf, euch freiwillig zu unterwerfen!
Das Internet in seiner heutigen Form ist dezentral und hat eine offene Infrastruktur. Aber die Freiheit und Offenheit nutzt man nicht, indem man die vermeintlich kostenlosen Angebote der IT-Riesen nutzt und sich so unterwürfigst in deren Rachen wirft. Diese Angebote haben eine Legitimation, keine Frage, aber der Hausherr ist ein Anderer. Wenn einem das eigene Schaffen wichtig ist, dann sollte man das eigene Schaffen auch auf eigener Infrastruktur ablegen. Infrastruktur, die man selbst bezahlt und betreut (oder betreuen lässt). Infrastruktur, die klare Verträge hat und wo man nicht der Großzügigkeit digitaler Hausherren unterliegt.
Das sollte uns nicht daran hindern, diese vermeintlich kostenlosen Angebote zu nutzen. Ein Teil der künstlerischen Szene war schon immer großartig darin, sich kreativ öffentlichen Raum zurückzuerobern. Kunst war schon immer nicht nur Nutzung von Dingen, sondern auch die Provokation, Dinge ganz anders zu nutzen, als sie ursprünglich angedacht wurden. Aber so sehr man dann im nichteigenen Territorium gestaltet, so sehr muss einem bewusst sein, dass das letzte Wort der Hausherr hat.
Facebook, Twitter, Snapchat, Blogspot und wie sie nicht alle heißen – das sind alles tolle Kampagnen- und Vernetzungswerkzeuge. Aber es ist unglaublich naiv, sich vollständig abhängig von eben diesen zu machen. Wenn einem das eigene Werk wichtig ist, muss immer auch die Frage gestellt werden, wer am Ende Besitzer von Daten und Infrastruktur ist. Und am Ende sollte man nie vergessen:
Wenn Du für die Ware nicht zahlst, bist Du die Ware.
Und letztlich auch:
There is no cloud. It’s just someone else’s computer.
Diese zwei Artikel waren für mich selbst auch ein großartiges Argument, meine zwischenzeitlich auch mal länger werdenden Facebook-Posts wieder auf mein eigenes Blog auszulagern. Auf Facebook unterliege nämlich auch ich als ITler den Regeln des Hausherren Facebook. Das muss nicht sein.
[…] Versteht mich nicht falsch – ich finde Facebook toll, besornders deshalb, weil ich dort mit sehr vielen Leuten vernetzt bin und darüber auch im „Real Life“ immer mehr Menschen kennen lernen, die meine Interessen und Ziele teilen. Aber in letzter Zeit denke ich immer häufiger darüber nach, ob es nicht sinnvoll ist, sich eine Plattform aufzubauen, die unanhängig vom Facebook-Algorhythmus funktioniert. Schuld daran ist unter Anderem auch ein Bekannter von mir, der über ein ähnliches Thema neulich einen Blogeintrag verfasst hat: Hört auf, euch bedingungslos zu unterwerfen! […]