Wie nachhaltig ist eigentlich OpenData?

Disclaimer: in diesem Post gibt es sehr viel eigene Meinung. Deswegen veröffentliche ich das auch nicht auf openruhr.de.

OpenData. Ein Schlagwort, bei dem die Fantasien einiger Enthusiasten in den Himmel steigen. Damit kann man so viele tolle Anwendungen machen! So viel Transparenz! So viel moderne Wirtschaft!

Könnte man. Und dann passiert das. Oder das. Oder auch das. Oder … ? Was ist da los? Das waren doch tolle Projekte? Warum sind die einfach weg? Um diese Frage (aus meiner sehr persönlichen Sicht) zu klären und Lösungen vorzuschlagen, möchte ich ein bisschen ausholen.

Zielgruppen von OpenData

Letztlich kann man zur Zeit vier Zielgruppen für OpenData (also den Daten selbst) ausmachen:

  1. Digitale Wirtschaft, welche Geschäftsmodelle mit offenen Daten betreiben kann.
  2. Transparenz- und Informations-Initiativen, welche zum Teil extrem aufwändige Webapplikationen erstellen.
  3. Datenjournalismus, welcher Informationen aufbereitet und so klarere Aussagen ermöglicht.
  4. Universitäten und Bildungseinrichtungen

Natürlich sind die vier Gruppen nicht unabhängig voneinander, aber in den meisten Fällen lassen sich Projekte klar in eine der drei Kategorien stecken. 1) gibt es bislang kaum, 3) sind meist eher weniger Informationen und mit einer fertigen Aussage zu Zeitpunkt X, 2) der Löwenanteil an Projekten, meist auch zeitlich begrenzt wie 3), aber ab und an auch dauerhafte laufende Plattformen, die einen bestimmten Service bereitstellen – meist Kommunikation und Transparenz. 4) gibt es meines Wissens bislang kaum abseits eines Schulprojektes in Moers und einem OKF-Projekt, wohl vor allem deshalb, weil kaum jemand innerhalb der Wissenschaftslandschaft OpenData kennt.

Komplexe Webapps = Zeit + Wissen + Kontinuität

Vor allem in 2) werden hochkomplexe Plattformen veröffentlicht. Plattformen wie Offenes Köln und OpenRuhr:RIS. Diese sind wirtschaftlich nicht darstellbar, daher werden sie nicht von freien Unternehmen oder von Verlagen realisiert. Denn sie brauchen drei wertvolle Komponenten: Zeit, Wissen und Kontinuität. Analysieren wir einmal OpenRIS Politik bei Uns:

  1. Es braucht Zeit, weil viel Programmcode geschrieben werden muss.
  2. Es braucht Wissen, weil es mehr ist als PHP + MySQL. Um genau zu sein: Flask (Python), MongoDB, ElasticSearch, Memcached, jQuery, Bootstrap, …
  3. Es braucht Kontinuität, weil Server betreut werden müssen und regelmäßig Fehler im Scraper auftreten, die schnell behoben werden müssen.

Marian Steinbach hat 1) und 2) zusammengebracht und das Projekt Offenes Köln = OpenRIS ins Leben gerufen. Ehrenamtlich. Und bis heute kann ich dazu nur sagen: Wow. Das, was Marian auf die Beine gestellt hat, das war und ist großartig. Ich habe gut ein Jahr später viel 1) und nicht ganz so viel 2) zusammengebracht: viel Zeit, Wissen und noch mehr Zeit (weil ich weder Flask noch MongoDB noch Elasticsearch bis dahin kannte). So ist OpenRuhr:RIS entstanden.

Doch es fehlt die Kontinuität

Hin und wieder hat man die Möglichkeit, Abend für Abend über viele, viele Stunden hinweg Zeit in ein Projekt zu investieren. Doch in den meisten Fällen klingelt irgendwann die Realität an und erzählt im Normalfall etwas von „Geld verdienen“. Ganz besonders dann, wenn man als Freelancer unterwegs ist. Und dann – dann geht so eine Seite wie Offenes Köln irgendwann offline. Oder auch OpenRuhr:RIS. Weil zu viel Arbeit anfällt, als dass man sie alleine schaffen könnte. Zumindest nicht ohne Goldesel und damit viel Freizeit.

Ohne die Unterstützung der OKF könnte ich auch jetzt OpenRIS nicht wieder online stellen (ja, Ende des Jahres könnt ihr wieder ein offenes RIS erwarten). Doch was geschieht danach? Am Ende haben wir auch dann noch dasselbe Problem: Die Betreuung von OpenRIS wird auch dann Zeit, Wissen und Kontinuität in Anspruch nehmen.

Lösungen: Mehr Ehrenamtliche? Geld?

Wir könnten die anfallende Arbeit natürlich auf mehrere Schultern verteilen. Aber die Anzahl an Menschen, die Lust haben, sich abends in ihrer Freizeit hinzusetzen, und sich mit Python, MongoDB und Co zu beschäftigen, scheint äußerst gering zu sein. Nach fast 3 Jahren Offenes Köln sind wir genau zwei Entwickler. Und ich gebe zu: Scraper-Entwicklung ist wirklich nicht vergnügungssteuerpflichtig. Es nervt fürchterlich. Aber das Ergebnis ist (mal ganz profan gesagt) geil. Scheinbar ist die Hürde aber zu groß, um mehr Entwickler anzulocken. Oder irre ich mich und ihr beweist mir das Gegenteil?

Die Alternative ist, Geld bereitzustellen, und daraus einen normalen kommerziellen Job (oder zumindest einen Hauch davon) zu machen. Denn Menschen mit den passenden Kenntnissen gibt es nicht extrem kostengünstig.

Auf Twitter wurde ich gebeten, eine grobe Schätzung abzugeben, was an Mitteln benötigt wird. Die Server werden ja glücklicherweise von der OKF gestellt (2 x 50 € / Monat). Mit 5 oder 10 festen Stunden pro Monat würde man sicherlich schon einen recht stabilen Betrieb hinbekommen. Nach meinem eher niedrigen Stundensatz sind das 250 € – 500 € / Monat. Der Grund, warum ich das noch nie so direkt aufgeschrieben habe: Ich habe keine Ahnung, wer das bezahlen sollte. Die Kommunen etwa, die gleichzeitig Schwimmbäder schließen müssen? Den wir als OpenData Community versprochen haben, dass sie ja nur Daten freigeben müssten, die Apps würden ja von selbst entstehen? Finanzierungskonzepte sind natürlich herzlich willkommen!

Mehr Realismus, bitte!

Egal, wie wir das Problem mit den offenen Ratsinformationssystemen lösen – und ich hoffe inständig, dass wir eine Lösung finden – eine Bitte habe ich aber. Und zwar: lasst uns mehr Realismus wagen. OpenData ist nicht die Universallösung für alles, sondern eine Teillösung einer offeneren Verwaltungs- und Unternehmenskultur. Apps entstehen auch nicht von alleine, sondern gutem, aussagekräftige Apps brauchen viel, viel Zeit und Energie. Und wenn ein Datensatz erst morgen online geht und nicht schon heute Nacht, dann ist das am Ende auch kein Weltuntergang. Wir, die Community, brauchen gerade 3 Jahre, bis wir es schaffen, ein offenes Ratsinformationssystem auf einigermaßen stabile Beine zu stellen. Ich für meinen Teil kann dann von einer Verwaltung nicht erwarten, dass sie in Minuten über Jahrzehnte gewachsene Mentalitäten und Strukturen umwirft.

Ich finde, OpenData trotzdem wichtig. In OpenData stecken, wie ich finde, große Chancen. Sei es die Chance, bessere Bürgerservices anbieten zu können. Sei es die Chance, Transparenz zu schaffen. Sei es die Chance, als Verwaltung von anderen Verwaltungen besser lernen zu können und Dinge seltener doppelt machen zu müssen. Sei es das Wachstum digitaler Wirtschaft. Seien es wertvolle Hinweise für guten Journalismus. Sei es gute wissenschaftliche Auswertungen und so neue Erkenntnisse. Ich könnte noch lange weiter machen. OpenData bedeutet eben Chancen. Aber es bedeutet eben auch Arbeit. Auf allen Seiten. Und da hilft es wenig, dem Gegenüber das Nichtmachen von Hausaufgaben vorzuwerfen, wenn man selbst ebenfalls nur wenig gemacht hat.

13 Antworten zu “Wie nachhaltig ist eigentlich OpenData?”

  1. Hallo Ernesto,

    vielen Dank für Deinen Beitrag und die Präzisierung des Bedarfs für OpenRIS. Du hast zwei ganz wichtige Zielgruppen von Open Data vergessen: Politik und Verwaltung. Jan Ole Beyer hat in den Präsentationen „Praktische Beispiele für den Nutzen offener Verwaltungsdaten“ http://de.slideshare.net/govdata/entdecken-sie-deutschlands-datenschatze-2014-03 und Chancen, Nutzen und praktische Umsetzung von Open Data http://de.slideshare.net/govdata/geben-sie-ihre-daten-frei?qid=3b397334-b3eb-496d-8c41-7ebeff1b4dd4&v=qf1&b=&from_search=2 gute Anwendungsbeispiele zusammengetragen. Diese zeigen, dass Open Data schon allein für das bessere Funktionieren der bestehenden politischen und administrativen Prozesse lohnenswert ist. Die Vorteile für die von Dir genannten Zielgruppen kommen noch oben drauf. Es gibt also ausreichend Gründe, öffentliches Geld in Open Data zu investieren, genauso wie man es z.B. auch bereits tut, um die Kreativwirtschaft, die Digitale Wirtschaft, die Energiewende etc. zu fördern. Ministerpräsidentin Kraft sagte einst in Ihrer Regierungserklärung, dass die Landesregierung mit OpenNRW eine Erneuerung der Demokratie erreichen wolle. Wenn man auf den Philippinen die Demokratie mit Open Data verbessern kann https://www.youtube.com/watch?v=LeR8t4J05SI, dann sollte das auch in NRW klappen. Natürlich kostet das etwas Geld, aber das ist wohl selbstverständlich. Bei CreativeNRW werden aktuell 40 Millionen Euro ausgeschüttet, um Geschäfts- und Gründungsideen aller Art zu unterstützen. Mit etwas weniger kämen wir sicher auch zurecht, um Politik und Verwaltung auf Landes- und kommunaler Ebene mit Open Government und Open Data zukunftsfähig zu machen.

    Gruß
    Dieter

    • Da hast du durchaus Recht, dass da die öffentliche Verwaltung und die Politik fehlt. Wobei diese ja nichts mit den Rohdaten anfangen kann, beide müssten Auftraggeber für die Gruppe 1) sein.
      Und dann kommt genau der letzte Punkt zu tragen. Es wird mir einfach allzu häufig kommuniziert, dass die Politik + Verwaltung nur Daten veröffentlichen muss, alles weitere kommt von alleine. Und das ist nun mal nicht so. Vor allem dann, wenn die Politik / Verwaltung Aussagen daraus haben möchte, muss sie zusätzlich noch Geld in die Hand nehmen. Zusätzlich zu dem Geld und Personal, was sie bereits für die Bereitstellung der Daten in die Hand nehmen muss. Und das zu legitimieren bei schließenden Schwimmbädern ist politisch nicht trivial.

  2. Der Leitsatz der Bewegung lautete doch ursprünglich: „Liebe Behörden, gebt uns eure Daten, und die Welt wird besser, schöner, transparenter!“.

    Stufenweise wurde und wird nun modifiziert:

    1. „Liebe Behörden, gebt uns BESSERE Daten, und die Welt wird besser, schöner, transparenter!“.

    2. „Liebe Behörden, gebt uns BESSERE Daten, und die Welt KÖNNTE besser, schöner, transparenter WERDEN!“.

    3. „Liebe Behörden, gebt uns BESSERE Daten, und die Welt KÖNNTE AUF LANGE SICHT besser, schöner, transparenter WERDEN!“.

    4. „Liebe Behörden, gebt uns BESSERE Daten, und die Welt KÖNNTE AUF LANGE SICHT besser, schöner, transparenter WERDEN, WENN IHR AUCH NOCH DIE FINANZIELLEN (ETC.) RAHMENBEDINGUNGEN SCHAFFT!“.

    Diese Leitsatzevolution bereitet mit Kummer, trägt aber auch zum besseren Verständnis der Open Data-Situation in Deutschland bei. Folgende Punkte sind mit wichtig:

    a) Wer Open Data fordert und mit dem Nutzen argumentiert, hat auch die Pflicht, den Nutzen nachzuweisen oder zumindest realistische Potenziale aufzuzeigen.

    b) Man kann Open Data auch als einen Aspekt der Wirtschaftsförderung betrachten. Dann sollte man das auch sagen und ggf. entsprechende Mittel zur Förderung von Projekten einplanen.

    c) Man sollte die Erwartungen an Open Data überprüfen: Weder kurzfristige Erfolge noch nachhaltige Projektsicherung sind garantiert. Unter Umständen ist ein langer Atem notwendig – ein Denken in „Ermöglichungsräumen“ (Habbel).

    Ich persönlich – und hier sehe ich mich nah bei Ernesto – tendiere stark zu c), habe Sympathien für b) und wünschte zu a), dass die Promotoren der Bewegung gerade solche Leuchtturmprojekte wie die offenen Ratsinformationssysteme aus eigener Kraft so unterstützen, dass der nachhaltige Betrieb gesichert ist. Dann stiegen die Chancen deutlich, dass in absehbarer Zeit wesentlich mehr Kommunen in das Thema offene Daten einsteigen.

    • Wobei ich da hinzufügen möchte: die OKF als einer der Promotoren für OpenData unterstützt das Thema offene RIS nach Kräften. Ohne die OKF würde ich auch nicht die Möglichkeit haben, das offene RIS wieder online zu stellen. Die Frage ist dann aber: reicht das? Die OKF ist ja doch eher eine kleine Organisation und hat nicht die finanziellen Mittel, um alles und jeden zu bezahlen.

    • Ich glaube, ich muss gerade echt aufpassen, in meiner Antwort nicht verbittert zu klingen. Ich habe diese „Evolution“ auch mitgemacht, und von meiner Warte aus sah das in etwa so aus:

      1) „Gebt uns eure Daten, und wir koennen tolle Dinge damit machen!“
      2) „Was, _das_ sind eure Daten?! Ernsthaft?!?! Ich weiss, an der Uni ist alles ein wenig Elfenbeinturmiger als in der harten Realitaet, aber DAS?!“
      3) „Okay, wir haben in kuerzester Zeit eure Daten toller darstellen und sogar Fehler aufdecken und Loesungsvorschlaege einreichen koennen. Wie koennen wir das zurueckspiegeln, damit das Teil eures offiziellen Angebots wird?“
      4) „Hallo? Noch jemand zuhause?“

      Passt nicht ganz auf die KiTa-Karte, aber bei der stehen wir gerade zwischen 3) und 4). Wir wuerden gerne zurueckspiegeln, das scheint aber in den behoerdlichen Prozessen nicht abbildbar zu sein. Man muss sich das vorstellen: Da haben Leute in ihrer Freizeit was gemacht, das man aufgrund der Lizenz auch direkt zur Verbesserung des staedtischen Angebots hernehmen koennte, und dann versauert das irgendwo. Noch parsen wir regelmaessig die KiTa-Seite und aktualisieren die Karte, aber irgendwann ist da halt auch die Luft raus. Umso bedauerlicher, dass der offizielle Schritt zurueck offenbar nicht getan werden kann. Und da muss auch kein Topf Geld her, damit „wir”™ das machen, das darf gerne auch die Haus-IT oder sonstwer tun.

      Also insofern: a) wurde glaube ich schon an mehreren Stellen aufgezeigt. Nur fehlt dem Nutzen die Nachhaltigkeit, wenn die freiwilligen Beitraege nicht ins Programm der Stadt aufgenommen werden koennen.

      Zu b) moechte ich gar nicht viel sagen. Ich habe dieses „da liegen XY Millionen EUR auf der Strasse rum, macht Inkubatoren und Startups“ wirklich satt. Vielleicht bin ich gebranntes Kind, weil ich zu viele koksnasige Ich-klone-ein-US-Startup-Founder erlebt habe, vielleicht gefaellt mir aber auch der Gedanke nicht, dass nur die Ideen abheben koennen, fuer die sich eine potente Kaeuferschaft finden laesst, und andere (moeglicherweise gesellschaftlich viel nuetzlichere) Ideen versumpfen.

      Generell haengt mir viel zu viel vom langen Atem einzelner Akteure ab, die sich das aufgrund guenstiger Bedingungen ihrer Anstellungsverhaeltnisse, persoenlicher Selbstausbeutung, gesellschaftlicher Stellung oder sonstigen Rahmenbedingungen irgendwie leisten koennen. Beim CfG-Treffen ging ein kollektives Seufzen durch den Raum, als ich meinte, so eine 25-h-Woche, die zum Leben und die Mobilitaet fuer den Open-Data-Austausch reicht, das waer’s doch. Leider funktionieren hierzulande aber bislang nicht mal solche Modelle wie die CfA-Fellowships.

  3. Das wird ja langsam zu einer Das-Mag-Ich-An-Open-Data-Nicht-Liste. Ich finde wir müssen alle gemeinsam lernen, wie man mit Open Data umgeht.

    Zur Zeit kommt mir die Open-Data-Landschaft vor wie vor 150 Jahren beim Aufbruch ins Eisenbahnzeitalter. Überall sprießen kleine Schienennetze, kleine Inseln des Fortschritts. Leute erkennen die neuen Möglichkeiten die machbar wären, andere haben Angst weil z.B. die Fahrgeschwindigkeit schädlich sein könnte. Und die Schienen, die Bahnen, die Infrastruktur rund herum kostet viel Geld.

    Auch konnte man vor 150 Jahren nur kleine Strecken ausprobieren und nicht durch die ganze Republik in Hochgeschwindigkeit fahren. Es gab viele kleine Anbieter, die teilweise genau das gleiche nebeneinander machten. So gibt (gab) es in Berlin große Bahnhöfe die direkt nebeneinander gebaut wurden. Bis das Verkehrsnetz so effektiv war wie wir es jetzt ist, dauerte es viele Jahre.

    Und bei Open Data ist das nicht anders. Ein Datennutzungsnetz fällt nicht vom Himmel.

    Claus hat Recht. Wir brauchen Daten. BESSERE Daten. MEHR BESSERE Daten. Das fordern wir. Wir haben Dateninseln. Wo finde ich eine Liste von Schulen? Vereinzelnd in den Portalen. Und wo sind die? Also mit GPS-Koordinaten. Das ist die erste Datenanreichung die wir brauchen. Das werden weniger Inseln. Also warte ich lieber, bis meine Stadt mir diese Daten auf dem Silbertablet serviert und schmolle bis dahin weil andere es hinbekommen nur die vor meiner Haustüre nicht.

    Stefan hat auch Recht. Man kann mit einer noch so tollen Idee und sogar einer fertigen Umsetzung ankommen, in den meisten Fällen gibt es keinen Rückkanal in die Behörden. Weder um die Daten zu verbessern, mehr Daten zu fordern oder Projekte auf andere Städte zu portieren. Und wenn man zu oft keine Rückantworten bekommt, dann eben nicht. Dann schmolle ich – wenn die Stadt nicht will…

    Das ist ja einfach: Die Stadt (die Kommune) ist Schuld. Ist das wirklich so? Ich glaube nicht. Es sind vielmehr unterschiedlichen Herangehenweisen. Alles was man nicht googeln kann existiert nicht! Eine alte Weisheit. Kann man Daten nicht ergoogeln existieren sie nicht, damit kann ich dann nicht arbeiten. Als Otto-Normal-Programmierer frage ich nur meine Suchmaschine – keine Behörde. Finde ich eine Dateninseln, kann ich damit arbeiten. Aber macht das auch Sinn? Stefan, ich habe auch schon mal mit KiTa-Daten gearbeitet. Meine App hatte vor 2 Jahren alle offenen Daten zu Kindergärten aus Deutschland gesammelt (aus Berlin-Lichtenberg und Bremen). Das steht auch ganz groß an der App dran. Mut zur Lücke. Aber die Benutzer der App sehen das anders. Die einzige Bewertung (2 von 5 Sterne) lautet „Was ist mit Bordesholm und Umgebung?“ Die Schlussfolgerung wäre: Finger weg von den Daten.

    Man könnte ja mal die Behörde fragen. Das macht ja auch Sinn. Ist aber nicht die Arbeitsweise von Entwicklern. Also die Behörde fragen. Aber wen eigentlich? Als erstes die vermutete datenhaltende Stelle. Ja, das ist überraschend häufig richtig. Viele nette Mitarbeiter sind bereit Daten heraus zu rücken. Zwar nicht als Open Data, aber man bekommt sie. Es darf zeitlich nicht aufwändig sein. Bei zu vielen Nachfragen wird der Ton rauer – sie haben halt nicht die Zeit für richtigen Support für Programmierer (woher auch).

    Oftmals kommt keine Antwort oder ein Nein. Habe ich die falsche Stelle angeschrieben? Gibt es einen Open Data Beauftragten? Eine Pressestelle? Eine Stelle für Bürgeranfragen? Selbst wenn man die Pressestelle anschreibt, muss das nicht positiv enden. Was ist, wenn man ein halbes Jahr hingehalten wird? Muss ich dann wirklich das IFG anwenden? Das ist viel Aufwand für ein paar Daten die man nutzen möchte.

    Auch bei Städten mit Open Data-Portalen kann man Daten anfragen. Bis die Daten bereit stehen vergeht leicht ein halbes Jahr, oder auch mehr. Bei kleinen App-Projekten ist dieser Zeitraum zu lang. Das größte Problem hier: Man bekommt nicht mit, wenn die Daten bereit gestellt werden. Null Information – null Nutzung (obwohl man ja wollte).

    Aber es macht Sinn, wenn man ein dichtes Netz von Daten aus ganz Deutschland hat. Da spricht der Aufwand-Nutzen zur App-Erstellung allein schon dafür. KiTas aus ganz Deutschland? Macht Sinn. Schulen auch. Vornamen ebenfalls. Haushaltsdaten oder was auch immer – eigentlich bei jedem Datensatz. 10 Open Data-Portale abzugrasen macht Sinn. Da wir noch keine ausgebautes Verkehrsnetz für Open Data haben muss man mehr Stellen anschreiben. Die eine zuständige Bundesbehörde? „Gib mir mal alle Kitas in Deutschland“? Das funktioniert nicht. Alle 16 Bundesländer? Auch nicht. Alle 10.000 Gemeinden, sinnvoll – und aber wiederum nicht. Dann wenigstens die 76 Großstädte? Das ist viel Arbeit, man bekommt aber Daten von über 30% der Bevölkerung (theoretisch).

    Die Datenbeschaffung wird zur Vollzeitbeschäftigung. Das programmieren wird an den Rand gedrängt. Stimmt dann der allgemeine Aufwand-Nutzen überhaupt noch? Macht das den Programmierern überhaupt Spaß bzw. sind sie dafür bereit?

    Die Open Data-Beauftragten in den Behörden sammeln und koordinieren die Daten. Sie bauen am deutschen Open-Data-Schienennetz. Aber wer koordiniert und sammelt die Daten für die Programmierer? Wer erstellt die Fahrpläne für die App-Züge? Brauchen wir Datendisponenten? Oder Daten-Recherche-Labs?

    Übrig bleiben kleine Projekte mit wenigen lokalen Daten. Und unzufriedene Programmierer, weil sie eigentlich mehr wollten. Die Projekte scheinen unvollständig. Und werden daher auch nicht veröffentlicht. Oder es entstehen Monsterprojekte die ihre Daten selber suchen (RIS) und allein schon wegen der vielen investierten Arbeitsstunden veröffentlich werden sollten. Aber da ist die App-Pflege auch sehr intensiv.

  4. Stefan: In meinen Vorträgen über Open Data spreche ich gerne vom „Rücktransfer der guten Idee“. Ich finde die Überlegung spannend, die Ideen und Konzepte der zumeist ehrenamtlich entwickelten und umgesetzten Open Data-Anwendungen in unsere Verwaltungsarbeit (also z.B. unser Webangebot) zu integrieren und somit zum Nutzen der Allgemeinheit dauerhaft und vielleicht auch prominenter zur Verfügung zu stellen (dieser Gedanke ist mir von anderer Seite schon ‚mal zum Vorwurf gemacht worden…). Beispiel: http://spielen.moers.de
    Hier haben wir nicht nur nach einem Vorbild einer Open Data-Umsetzung von @elmarburke Google Maps durch die OSM abgelöst, sondern zu jedem Spielplatz ÖPNV-Infos integriert. Hätte man vielleicht auch selber draufkommen können – sind wir aber nicht… 🙂

    Auch die coole Umsetzung zu den Wartezeiten des Moerser Bürgerservice von Thomas http://wartezeit.tursics.de haben wir promoted und in unsere Website integriert. Gerade zu dieser Lösung hat es übrigens einen intensiven Austausch zwischen Entwickler und Verwaltung gegeben – die Datenstruktur unser Ausgabe wurde quasi mundgerecht geliefert! Oder, Thomas? 🙂

    Gerade dieser Dialog ist mir in diesen Open Data-Anfangszeiten mit Startschwierigkeiten auf allen (!) Seiten sehr wichtig (und nicht nur mir).

    Es ist mir auch wichtig, dass wir die Daten proaktiv zur Verfügung stellen, damit Interessierte eben nicht anfragen und ggf. ein halbes Jahr warten müssen! Aus Moerser Sicht kann ich allerdings sagen, dass bisher noch kein (!) Datenwunsch an uns herangetragen wurde – eigentlich schade. Und manchmal muss auch ich intern ein halbes Jahr (oder länger) auf Daten warten. Dies liegt allerdings eher nicht an meinen Kolleginnen oder Kollegen, die eher sehr open denken, sondern an ganz praktischen Gründen: rechtliche Fragen (z.B. Datenschutz in Sachen Bodenauflösung bei Luftbildern) oder auch technische Probleme (fehlende Schnittstellen).

    Um das schöne Bild von Thomas aufzugreifen: Wir arbeiten fleißig am niederrheinischen Teilstück des Open Data-Eisenbahnnetzes. Und das sehr gerne auch intensiv mit allen, die die Daten nutzen möchten!

  5. Für eine zentrale Frage halte ich die Erwartungshaltung der Akteure untereinander. Claus hat den schleichenden Prozess mit den Stufen beschrieben, in der ein Abgleich zu den Möglichkeiten bislang fehlte. In Folge schleift sich die Thematik mit dem Körnungssfaktor einer Asphaltfräse ab. Die Frustration allein auf Entwicklerseite zu sehen halte ich für falsch. Die Verwaltung steht vor der Frage, wie die Anforderung erfüllt werden können. Fakt ist: Open Data ist eine freiwillige Behördenleistung und die zur Verfügung stehenden Quellen entsprechen in der Regel nur zu einem Teil der geforderten Open Data Kriterien. Die Behörden-IT ist – oh Wunder – nunmal hierauf nicht ausgerichtet und ich befürchte, dass dies auch im Jahr 2015 kein Kriterium für Verfahrenshersteller sein wird. Auf der anderen Seite kommt der Ausbau von Standard-API nicht richtig in Gang. Um Open Data nachhaltig zu gestalten, müssen wir zusammen arbeiten. Vielleicht müssen Erwartungshaltungen in einem Beteiligungsformat diskutiert und vereinbart werden. Wir brauchen jedenfalls einen Konsens in der Umsetzungsphase, damit die Aufwendungen bei Verwaltung und bei Entwicklern minimiert werden und die Nachhaltigkeit verbessert wird. Dazu zählen Standards wie Formate, API, Metadaten, Taxonomien und Lizenzen und ja, wir brauchen Datendisponenten (Open Data Map) und landes-/bundesweit auch einen formellen Open Data-Rahmen. Diese Basisarbeit ist für Open Data noch gar nicht geleistet. Es ist noch viel gemeinsam umzusetzen.

    • „Die Behörden-IT ist – oh Wunder – nunmal hierauf nicht ausgerichtet und ich befürchte, dass dies auch im Jahr 2015 kein Kriterium für Verfahrenshersteller sein wird.“

      …und ich glaube, das ist eine der grossen „Spassbremsen“ fuer die ehrenamtliche Community, die aus ihrem taeglichen Umfeld um mehrere Groessenordnungen kuerzere Innovationszyklen gewohnt ist. Ich bin jetzt auch schon eine ganze Weile auf der Open-Data-Reise unterwegs, aber selbst ich lasse mich immer wieder davon unvermittelt ueberraschen, wie ueberschaubar die Ergebnisse bleiben, wie lange es braucht, an manche Daten heranzukommen, und vor allem wie lange es braucht, um Loesungen dann zu verstetigen und in den Katalog einer Behoerde zurueckzuspielen.

      Nehmen wir doch nur mal mein persoenliches Steckenpferd (Nah)verkehrsdaten: Das beackere ich jetzt wie lange? Sechs Jahre? Oder sind’s schon sieben? Und was passierte in der Zeit in Deutschland? Der VBB kam mit Daten raus – bloed nur fuer den VBB, dass er so gross ist, und Killerfeatures wie verbunduebergreifende Tarifierung fuer den Metropolraum Berlin wenig in Frage kommt. Den SWU hab ich einen Prozess gebaut, yay. Und der VRR kam mit Daten dazu. Das war’s.
      In SPNV-Ausschreibungen spielt das Thema _immer_ noch keine Rolle. Und fuer den Fernverkehr werden die Plandaten lieber verkauft.
      Das ist das Resultat von mehr als einer Regelstudienzeit – also des Zeitraums, in dem sich ueblicherweise Studis die Zeit nehmen koennen, nebenher auch mal ihre Faehigkeiten in der Praxis auszuprobieren. Tschuldigung, aber ich kann’s da niemandem veruebeln, wenn man sich stattdessen anderen Experimentalfeldern widmet, die befriedigendere Ergebnisse hervorbringen.

      Wenn ich Geodaten haben will? Bin ich womoeglich besser beraten, die OSM als Quelle zu benutzen und ggf. Features nachzuerfassen – dann wird wenigstens die Karte besser und jede Menge anderer Leute haben auch noch was davon.

      Wenn ich auf einem Hackday was cooles gemacht habe? Kann ich davon ausgehen, dass es Monate bis Jahre dauert, bis das in der IT einer Kommune oder gar des Landes zurueckgespiegelt werden kann. Wenn ueberhaupt. Also bleibt das Ding mehr oder weniger gepflegt, verwaist irgendwann oder liefert gar nur noch eine weisse Seite oder einen Fehlercode.

      Soll das dann das Ergebnis sein? Nachhaltige Loesungen (die mehr als nur ein, zwei Jahre oder bis zum Ende der Geduldsspanne gepflegt werden) gibt es genau dann, wenn sich eine kritische Masse an Gleichgesinnten findet (OSM) oder wenn sie kommerziell ausschlachtbar sind – und anderenfalls gar nicht?

  6. Das Jahr 2015 ist noch jung. Da kann man noch viel verändern. Zum Beispiel soll es bereits deutschsprachige Städte geben, die Open Data bzw. Schnittstellen zur Erzeugung solcher in ihre Ausschreibungen schreiben bzw. bei der Software-Beschaffung explizit einfordern.

    Andererseits gibt es Fachverfahren, die zum Quasistandard geworden sind weil sie von einer Vielzahl von Gemeinden verwendet werden. Würden diese eine Export-Schnittstelle einbauen kämen viele Gemeinden in den Genuss fertige Daten offen verteilen zu können. Zum Beispiel wird AutiSta von vielen Standesämtern verwendet. Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat es geschafft eine Export-Funktion für Vornamen einbauen zu lassen. Sogar eine Anleitung in der FAQ von AutiSta für ihre Zwecke (erster Punkt hier https://www.vfst.de/autista/faqs/autista-fachlich) haben sie hinbekommen. Eigentlich fehlt bei dem FAQ nur der Hinweis, dass man die CSV-Datei nicht zur zur Gesellschaft für deutsche Sprache sondern auch zu seinem Open-Data-Verantwortlichen schicken muss.

    Gerne mehr davon.

    Sven, was meinst du mit Open Data-Rahmen? Einen Vorschlag welche Formate, API, Metadaten, Taxonomien und Lizenzen benutzt werden sollen? Oder eine rechtliche Vorschrift, dass man Open Data machen muss?

    Wir brauchen wohl beides. Aber das behindert und verzögert Open Data gleichzeitig. Ich habe jetzt schon mehrfach mitbekommen, dass Anträge für Open Data in den Parlamenten (?) abgeleht wurde weil es keine Landesvorschrift gibt bzw. weil sie gerade noch erarbeitet wird. Andere Kommunen bilden Arbeitsgruppen, diese warten aber ab, was das Land nun ausarbeitet als Vorschrift. Dann wird es ewig dauern bis das der Ecke Daten fließen.

    Wir brauchen eher ein wir machen das aus der Verwaltung. Und wir machen das erstmal so wie wir es denken bzw. so, wie andere es vorleben oder nach Vorschlägen aus der Community. Und mit den Erfahrungen bilden sich dann Standarda heraus. Die Taxonomie ist ja noch nicht mal in Österreich durchdefiniert worden – trotz ihrer jahrelangen Erfahrungen. Wenn wir das aber als Vorraussetzung für einen Rahmen oder eine Vorschrift brauchen, dann hält es den ganzen Prozess auf.

    • @Thomas: Mit Open Data-Rahmen meine ich mindestens eine formelle Empfehlung (Soll-Vorschrift) auf Länderebene ähnlich § 12 (1) EGovG Bund, damit Open Data zumindest etwas aus der beliebigen, freiwilligen Leistung heraustritt. Es gab in NRW zur Einführung des NKF eine Experimentierklausel in der Gemeindeordnung. Warum nicht auch für Open Data? Außerdem wäre es sinnvoll, so frühzeitig wie möglich Standards zu definieren. Das kann wie bei OParl geschehen. Mir kommt es darauf auf, dass wir einen Flickenteppich unterschiedlichster Metadaten und Taxonomien möglichst vermeiden, der in Folge die Nachnutzung erschwert oder unmöglich macht. Nehmen wir beispielsweise die leidige Lizenzfrage. Ich habe da noch keine Gegenüberstellung von CC4 vs DL2 gesehen. Sind beide rechtlich unter öffentlich-rechtlichen Bedingungen gleichwertig? Wenn ja, können wir die Verwendung auswürfeln? Diese Frage gehört in jedes gute Open-Data-Bingo, hilft bei einem Ersteinstieg bei Open Data aber leider nicht weiter.

      Natürlich gibt es nicht „die eine“ Umsetzungsempfehlung für Behörden. Je nach lokalen Gegebenheiten kann und sollte ganz unterschiedlich gestartet werden, um einen Einstieg zu ermöglichen. Ablehnung wegen fehlender Landesvorschriften ist keine Begründung. Nach dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht besteht natürlich die Möglichkeit, in die Thematik einzusteigen. Da wäre nur wieder die Erwartungshaltung: Wie?, Wann? Womit?. Bei „wir machen das aus der Verwaltung“ müssen Behörden unterstützt werden. Mein Wunsch wäre, dass wir bei der Umsetzung von Open Data zwischen Behörden, Community und Politik zusammen arbeiten und kein Konfliktpotenzial (bei den von Claus beschriebene Stufen) entsteht. Treffen Konflikte auf freiwillige Leistungen, dürfte schnell klar sein, wie das ausgeht. Leider ist es so, dass wir in Bereichen die geforderten Rohdaten nicht liefern können und für eine Umsetzung die Modifizierung/Ablösung von Fachverfahren notwendig wäre. Open Data als Vergabekriterium bei der Beschaffung ist dabei eine Möglichkeit. Klar, es gibt auch sehr erfreuliche Entwicklungen. Eine Freigabe von ersten Schnittstellen von Vergabeinformationen auf Landesebene war innerhalb von wenigen Tagen möglich. Das hätte ich letztes Jahr so schnell nicht erwartet und lässt für dieses Jahr noch einiges erwarten. 🙂

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